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Immuntherapie

Immuntherapie auf dem Vormarsch: Paradigmenwechsel in der Krebstherapie

Die Immuntherapie, ein innovativer Ansatz zur Bekämpfung von Krebs, hat sich zu einem Wendepunkt in der Onkologie entwickelt. Diese hochmoderne Strategie, die darauf abzielt, die körpereigenen Abwehrmechanismen zu nutzen, bietet Krebspatienten einen neuen Hoffnungsschimmer. Die Nobelpreisträger James Allison (USA) und Tasuku Honjo (Japan) wurden für ihre bahnbrechenden Arbeiten zur Entwicklung der Immuntherapie gegen Krebs geehrt. Dabei werden vor allem monoklonale Antikörper eingesetzt, um Mechanismen zu blockieren, die die Erkennung und den Angriff von Krebszellen durch T-Lymphozyten verhindern.

Die Immuntherapie ist seit langem ein vielversprechender Ansatz im Kampf gegen Krebs, aber die jüngsten Entwicklungen deuten auf einen dramatischen Anstieg ihrer Wirksamkeit auch in früheren Krankheitsstadien hin. In diesem Artikel untersuchen wir die sich entwickelnde Landschaft der Immuntherapie und ihre bemerkenswerten Ergebnisse bei der Behandlung von Melanom und Lungenkrebs.

Immuntherapie verstehen

Die Immuntherapie ist ein revolutionärer Ansatz zur Behandlung von Krebs. Ihr Grundprinzip besteht darin, das körpereigene Immunsystem zu nutzen, um Krebszellen zu bekämpfen und zu eliminieren. Obwohl dieses Konzept einfach ist, wird es seit Jahrzehnten in experimentellen und klinischen Studien erforscht. Bis zu den jüngsten Durchbrüchen hatte die Immuntherapie jedoch nur begrenzten Erfolg im Kampf gegen Krebs. Das Immunsystem fungiert als Wächter des Körpers und schützt ihn vor eindringenden Krankheitserregern, Fremdstoffen und entarteten Zellen wie Krebszellen. Es fungiert als "Polizei" des Körpers und sorgt für Ordnung und Sicherheit im Inneren. Um die Immunreaktion gegen Krebszellen zu aktivieren, müssen auf diesen bösartigen Zellen bestimmte Strukturen vorhanden sein, die sie für das Immunsystem als "fremd" kennzeichnen. Diese Erkennung setzt eine Kettenreaktion in Gang, die zur Vernichtung der Krebszellen durch "Killerzellen" führt.

Herausforderungen und Umgehungsstrategien

Trotz dieses eleganten Abwehrsystems nutzen Tumorzellen eine Reihe von Strategien, um der Erkennung und Eliminierung durch das Immunsystem zu entgehen. Zu diesen Umgehungstaktiken gehören die Tarnung durch Maskierung von Erkennungsstrukturen, die Freisetzung immunsuppressiver Moleküle und die Expression von Checkpoint-Molekülen sowohl auf Tumorzellen als auch auf Abwehrzellen. Diese Checkpoint-Moleküle haben die Fähigkeit, Immunreaktionen entweder zu hemmen oder zu aktivieren. Tumorzellen manipulieren diese Checkpoints und hemmen dadurch Immunreaktionen gegen sie. Immun-Checkpoint-Inhibitoren sind heute der Eckpfeiler der "neuen Immuntherapie" und finden unter dem weiter gefassten Begriff "Immunonkologie" rasch klinische Akzeptanz.

Melanom: Eine Erfolgsgeschichte

Eine internationale Studie, die kürzlich im Fachjournal „Nature Medicine“ veröffentlicht wurde, zeigt bemerkenswerte Fortschritte bei der Behandlung des Melanoms, einer aggressiven Form von Hautkrebs. An der Studie nahmen 790 Melanompatienten teil, insbesondere solche mit einem Melanom im Stadium IIB/C, das durch eine Operation vollständig entfernt werden konnte, und solche mit einem bereits fortgeschrittenen Melanom im Stadium IIIA/B, die ein hohes Rückfallrisiko haben. Zwei Drittel der Patienten erhielten ein Jahr lang nach der Operation alle vier Wochen den Immun-Checkpoint-Inhibitor Nivolumab, das restliche Drittel ein Scheinmedikament (Placebo). Die Ergebnisse waren bahnbrechend. Bei den Patienten, die Nivolumab erhielten, sank die Rückfallhäufigkeit um 58 Prozent - ein bedeutender Fortschritt in der Melanomtherapie.

Nach einem Jahr zeigten 89 % der mit Nivolumab behandelten Patientinnen und Patienten keine Anzeichen eines Rückfalls, während in der Placebo-Gruppe bei 79,4 % der Patientinnen und Patienten ein Rückfall aufgetreten war. Fernmetastasen, ein großes Problem beim Melanom, traten in der Nivolumab-Gruppe um 53% seltener auf. Auch wenn dies einen unglaublichen Fortschritt in der Melanombehandlung darstellt, muss man sich der damit verbundenen Risiken bewusst sein. In der Nivolumab-Gruppe gab es einen therapiebedingten Todesfall, der 0,2% der Patienten betraf. Dennoch zeigt der Gesamterfolg von Nivolumab bei der Behandlung des Melanoms das Potenzial der Immuntherapie bei der Behandlung selbst der aggressivsten Krebsarten.

Lungenkrebs (Bronchialkarzinom): Paradigmenwechsel

Der "Paradigmenwechsel", den die Immuntherapie bei der Behandlung von nicht-kleinzelligem Lungenkrebs bewirkt, sorgt in der Onkologie für große Aufregung. Diese Form des Lungenkrebses ist die am weitesten verbreitete Krebsart und erreicht oft schon vor der Diagnose fortgeschrittene Stadien, was zu einer hohen Sterblichkeitsrate führt. Auf dem Jahreskongress der European Society for Medical Oncology (ESMO) wurden bahnbrechende Studien vorgestellt, die Patienten mit Lungenkrebs im Frühstadium neue Hoffnung geben.

Eine dieser Studien, die so genannte CheckMate-77T-Studie, untersuchte den Einsatz von Nivolumab bei Lungenkrebspatienten mit chirurgisch entfernbaren Tumoren. Dabei wurde Nivolumab zusammen mit einer Chemotherapie sowohl vor als auch nach der Operation verabreicht. Rund 230 Patienten wurden in zwei Gruppen eingeteilt: Eine Gruppe erhielt den Immuncheckpoint-Inhibitor, die andere ein Scheinmedikament (Placebo). Die Ergebnisse der Studie sind verblüffend.

Durch die zusätzliche Behandlung mit Nivolumab vor der Operation konnte die Rückfallrate um 42% gesenkt werden. Diese Entwicklung hat das Potenzial, die Überlebenschancen von Patienten mit Lungenkrebs im Frühstadium zu verbessern. Es ist wichtig zu wissen, dass Lungenkrebs eine der tödlichsten Krebsarten ist, an der jedes Jahr weltweit etwa 1,8 Millionen Menschen sterben. Allein in Deutschland wurde 2019 bei 32.701 Männern und 23.546 Frauen ein bösartiger Lungentumor diagnostiziert, 27.882 Männer und 16.999 Frauen erlagen der Krankheit (Quelle: Lungenkrebs Krebsregisterdaten). Diese Zahlen unterstreichen den dringenden Bedarf an innovativen Behandlungsmöglichkeiten.

Früherkennung und Immuntherapie

Eine große Herausforderung im Kampf gegen Lungenkrebs ist die späte Diagnose der Krankheit, die oft erst in fortgeschrittenen Stadien erfolgt. So ist das Lungenkarzinom nach wie vor die häufigste krebsbedingte Todesursache bei Männern und die zweithäufigste bei Frauen. Der dringende Bedarf an Früherkennung ist offensichtlich, und jährliche computertomographische Untersuchungen bei langjährigen starken Rauchern haben das Potenzial, die Sterblichkeit deutlich zu senken. Auch wenn die Immuntherapie ein Hoffnungsschimmer ist, bleibt die Früherkennung entscheidend für die Verbesserung der Lungenkrebsresultate.

Fazit

Die Immuntherapie läutet eine neue Ära in der Krebsbehandlung ein. Ihre Fähigkeit, die körpereigenen Abwehrkräfte in den Kampf gegen den Krebs einzubeziehen, hat nicht nur in fortgeschrittenen Stadien, sondern auch in früheren Stadien der Krankheit beeindruckende Ergebnisse gebracht. Das Melanom und der Lungenkrebs, zwei aggressive und oft spät diagnostizierte Krebsarten, sind Paradebeispiele dafür, wie die Immuntherapie das Drehbuch der Krebsbehandlung neu schreibt. Die weitere Forschung und die klinischen Studien zeigen, dass die Immuntherapie eine transformative Kraft ist, die unzähligen Patienten Hoffnung gibt und uns einen Schritt näher an eine Zukunft bringt, in der Krebs vielleicht nicht mehr der furchterregende Gegner ist, der er einmal war.